Jenaer Frühromantik

Ausblick 2016

Romantik 2016

Wenn ein wesentliches Element romantischen Denkens darin besteht, sich auf die Suche nach dem Verborgenen, dem Unsichtbaren, dem Unendlichen zu begeben, heißt dies im modernen Kontext, dass diese Suche nicht abgeschlossen werden kann, sondern einen immerwährenden Prozess darstellt. In seinem Romanfragment "Heinrich von Ofterdingen", entstanden um 1800, beschreibt Novalis einen Jüngling, der einen sonderbaren Traum hat. Er träumt von einer lichtblauen Blume, die ihn in seinen Bann zieht. Sie neigt sich zu ihm hin und in ihrem Kelch erblickt er ein zartes Gesicht. Die blaue Blume wird seither zum Symbol der Romantik. Von vielen Dichtern besungen,
von vielen Malern als Motiv gewählt, entzieht sich die blaue Blume einer genauen Beschreibung und Darstellung. Sie bleibt rätselhaft, geheimnisvoll und verführerisch. Und nicht jeder hat das Glück, sie zu finden. Sie zeigt sich nur dem, der ihr ihr Geheimnis lässt. Nur über die Intelligenz des Herzens und des Gefühls vermag man sie zu gewinnen. Die blaue Blume – bis heute Synonym für die Sehnsucht nach dem Anderen, dem Verborgenen, dem Erleuchteten, nach
Liebe – ist eine schöne Utopie. Sie manifestiert einen Gegenentwurf zum Machbarkeitswahn in einer entzauberten Welt und ermutigt, sich zu sich selbst, zum eigenen Leben zu bekennen, Träume und Wünsche zu haben und diese auch auszusprechen. Die Jenaer Romantiker waren alle blutjung, als sie diese Rebellion wagten, mit Konventionen brachen und sich zu ihren Gefühlen bekannten. Die blaue Blume hat sie begleitet, hat ihren jungen Ideen Ausdruck und Anschaulichkeit verliehen. Seither ist die Suche nach der blauen Blume immer auch ein Stück Versuchung und Verführung. Aber warum sollte man sich darauf nicht einlassen!

Die romantische Bewegung wird weitergehen. Zum festen Repertoire der Veranstaltungsangebote werden zum Beispiel die museumspädagogischen Projekte mit Lichtexperimenten von 1800 oder die geführten Spaziergänge für alle, die Jena als Lichtstadt erleben möchten, zählen. Es wird eine künstlerische Gestaltung des Innenhofes des Romantikerhauses geben. Der Novalisweg von Jena nach Schlöben wird ein neues touristisches Angebot werden. Geplant ist weiterhin die interdisziplinäre Konferenz der Friedrich-Schiller-Universität Jena zum Thema "Grenzen der Unendlichkeit", die im ersten Halbjahr 2016 stattfinden wird.

Ein besonderes Erlebnis wird die Ausstellung des Jenaer Künstlers Robert Seidel sein, die vom 28 .November 2015 bis zum 28. Februar 2016 an verschiedenen Orten in Gera zu sehen ist. Unter dem Titel "LUX AETERNA. Digital Organic Abstraction." wird erstmals eine Retrospektive seiner Arbeiten gezeigt, die im Spannungsfeld zwischen abstraktem Film, Videokunst und audiovisueller Performance entstanden sind. Das ausgeprägte Interesse Robert Seidels für komplexe Strukturen des Organischen und der Natur assoziiert frühromantisches Denken. Aber auch seine Arbeitsweise, nämlich an den Schnittstellen zwischen Natur, Wissenschaft, Kunst und digitalen Medien zu arbeiten, besitzt eine große Affinität zum Romantischen.


Romantisieren bedeutete für Novalis, "dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Aussehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein" zu geben. Dieses Programm bleibt aktuell.