Jeder geliebte Gegenstand ist der Mittelpunkt eines Paradieses. Novalis

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Jenaer Frühromantik

Jenaer Frühromantik

Erinnerungen an die Zukunft

Die Universitätsstadt Jena wurde in den Jahren vor 1800 zum Ausgangspunkt einer neuen literarischen Bewegung. Das legendäre Jenaer Romantikertreffen, im Herbst 1799, sollte ein für die moderne Literatur und Kunst, ja für das kulturelle Leben Europas bedeutsames Ereignis werden.

Die jungen Dichter, Literaturkritiker, Philosophen und Naturwissenschaftler kamen in eine Universitätsstadt, die trotz des kleinstädtischen Umfeldes zu einem Brennpunkt geistiger Bestrebungen in Deutschland geworden war. Hier spürten sie, gleich Hölderlin, die "Nähe der großen Geister" und schwärmten wie Caroline Schlegel von einem "Königreich in der Philosophie", das mit Reinhold, Fichte oder Schelling Repräsentanten vereinte, die der Nachbarstadt Weimars den Ruf eines "Saal-Athens" sicherten. Auch Goethe verbrachte, zählt man die Tage, Wochen und Monate zusammen, mehr als fünf Jahre in Jena und widmete sich engagiert den Belangen der Stadt und Universität. Frei von höfischen Zwängen suchte er das anregende Gespräch mit Naturwissenschaftlern und Intellektuellen, insbesondere mit Schiller, den Humboldts, den Romantikern und dem Kreis um den Verleger Frommann. Dieses Netzwerk aus Naturwissenschaften, Philosophie und Kunst machte Jena, wie es der Mineraloge Henrik Steffens formulierte, zu "dem eigentlichen Sitz der geistigen Bestrebungen in Deutschland." Friedrich Schlegel versuchte seinen Bruder August Wilhelm schon 1794 nach Jena zu locken: "Für alle Deine literarischen Untersuchungen wärst Du am rechten Orte [...]." Auch Friedrich Schiller war an einer Zusammenarbeit mit August Wilhelm Schlegel interessiert, wünschte sich einen intensiveren Gedankenaustausch und bot ihm eine Mitarbeit an seiner Zeitschrift "Die Horen" an.

Die geistige Ausstrahlungskraft der Universitätsstadt machte Jena zu recht neben Weimar in dieser Zeit zur zweiten literarischen Hauptstadt Deutschlands und wirkte anziehend auf die Gruppe von jungen Dich­tern, Literaturkritikern, Philosophen und Naturwissenschaftlern die sich in den Jahren von 1796 bis 1800 in Jena versammelte. Sie sollte zum Wegbereiter der Romantik in Deutschland werden.

Geprägt durch die Umbruchserfahrungen zwischen feudaler Abhängigkeit und der Entwicklung einer bürgerlichen Gesellschaft suchten sie den Aufbruch in ein Goldenes Zeitalter. Nicht nur die Französische Revolution war für die jungen Romantiker ein Charak­teristikum des Gärungsprozesses ihres Zeitalters. Vehement forderten sie eine Revolution des Bewusstseins und stellten sich dabei als "Jakobiner der Poesie" streitbar in die erste Reihe.

Viele Wissenschaftler im Zeitalter der Romantik suchten nach einem ganzheitlichen Weltverständnis und nach dem Nachweis einer Identität von Natur und Geist. Ihre Überzeugung war, dass Physik und Metaphysik vereinbar seien und, dass die vereinzelte Naturerscheinung Rückschlüsse auf das Allgemeine der Natur zulasse. Die romantischen Naturforscher suchten die Einheit von Wissenschaft, Natur und Leben. Folgerichtig sahen sie auch eine geschichtlich gewordene Abhängigkeit von Kultur und Natur. Daraus wird eine besondere Verantwortung des Menschen für die Natur abgeleitet. Novalis mahnte als Berufung des Menschen an, die Erde zu bilden und sieht in dieser "Mission" eine Anstrengung, die verlorengegangene Harmonie des Menschen mit der Natur wieder zu erringen.

Angetreten zu einer "Revolution des Geistes", setzten sie sich mit den zeitgenössischen Philosophen kritisch ausein­ander und verarbeiteten ihre Theorien auch im dichterischen Werk. So ist die Frühromantik nur in dem engen Beziehungsgefüge von Zeitgeschehen, Philosophie, Naturforschung und Literatur zu verstehen und besonders in diesem stellt sie für uns heute relevante Fragen.

Die Erfahrungen, Hoffnungen und Konzeptionen der Jenaer Romantiker leben weiter und machen die Ausstrahlungskraft der Frühromantik aus.

Wir hoffen, dass die Lebendigkeit und Aktualität frühromantischer Gedanken im Themenjahr "Romantik. Licht. Unendlichkeit" Fragen nach den "Tendenzen des Zeitalters" für Gegenwart und Zukunft wachrufen werden. Es sollen "Erinnerungen an die Zukunft" sein.